Die Arbeitsgruppe ENGAGE (Geomorphologische Systeme und Risikoforschung) des Instituts für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien führt seit 2015 ein Langzeit-Monitoringprojekt zur Untersuchung von gravitativen Massenbewegungen in Niederösterreich durch. Diese Untersuchungen sind Teil des 2014 ins Leben gerufenen NoeSLIDE-Projekts, das in enger Zusammenarbeit zwischen der Universität Wien und der Niederösterreichischen Landesregierung entstand. Ziel des Projekts ist es, das Verständnis der Prozessdynamik in dieser Region zu verbessern, da detaillierte Kenntnisse über räumlich-zeitliche Hangprozesse dort noch begrenzt sind.
Seit seiner Gründung hat sich NoeSLIDE durch Kooperationen mit wichtigen nationalen Institutionen wie dem Geologischen Dienst Österreichs (GeoSphere Austria, ehemals Geologische Bundesanstalt, GBA) und dem Geologischen Dienst Niederösterreichs sowie der Wildbach- und Lawinenbekämpfung (WLV) erweitert. Neben internationalen Partnern, wie z.B. der Universität Heidelberg, finden auch Kooperationen mit der Technischen Universität Wien (TU Wien). Durch diese Partnerschaften ist das Projekt in der Lage, komplexe Prozesse mit bewährten sowie innovativen und fortschrittlichen Methoden wie geotechnischen Anwendungen und Fernerkundungstechniken zu untersuchen, zu analysieren und zu überwachen.
Gravitative Massenbewegungen gehören zu den häufigsten Naturgefahren in Niederösterreich. Allerdings sind detaillierte Kenntnisse über die räumlich-zeitliche Hangdynamik noch wenig fortgeschritten. Um die Faktoren zu identifizieren und zu quantifizieren, die die Dynamik von gravitativen Massenbewegungen und deren räumlich-zeitliche Entwicklung beeinflussen, ist ein langfristiger Monitoring-Ansatz erforderlich, der punktuelle und an Hängen verteilte Oberflächen- und Untergrundmethoden kombiniert.
Dabei spielt die Core Facility „Earth Surface Dynamics Lab (eSurfLab)“ am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien eine entscheidende Rolle, indem sie modernste Geräte und Fachkenntnisse für die geomorphologische Überwachung und Analyse bereitstellt.
Impressionen © Kanta 2021
Obwohl das ursprüngliche NoeSLIDE-Projekt offiziell 2017 endete und bis 2019 verlängert wurde, werden weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Finanzierung für die laufenden Untersuchungen und Überwachungen an den Standorten sicherzustellen. Der Projektname „NoeSLIDE“ bleibt bestehen und spiegelt das anhaltende Engagement für die Erforschung von gravitativen Massenbewegungen in der Region wider. Ursprünglich konzentrierten sich die Forschungsstandorte auf mehrere gefährdete Gebiete in Niederösterreich, darunter:
- Eckerwirt Erdstrom;
- Ein komplexes Rutschungssystem bei der Hofermühle in Konradsheim (Bezirk Waidhofen an der Ybbs);
- einer potenziell tiefsitzenden Rutschung in Brandstatt (Bezirk Scheibbs),
- Felssturz- und Steinschlaggefahr an der Ofenlochstrasse;
- dem Naturdenkmal Amtmann mit einer potentiellen Kippung/Felssturz bei Opponitz;
- einer komplexen, flachen Rutschung in Gresten (Bezirk Scheibbs), die seit über 40 Jahren aktiv ist.
Derzeit laufen Untersuchungen und Überwachungsmaßnahmen mit Schwerpunkt auf Brandstatt, Hofermühle und Gresten, die zur Einrichtung spezieller Überwachungsstationen an diesen Standorten geführt haben. Die Untersuchungen an den anderen Standorten wurden hingegen im Laufe der Jahre abgeschlossen.
Um die Dynamik der Rutschungen an den Standorten zu analysieren, konzentriert sich das Projekt auf die Entwicklung und Erprobung innovativer Techniken für das Geomonitoring. Insbesondere integriert das Projekt traditionelle und innovative Ansätze, wie bewährte geotechnische Methoden (z. B. Inklinometer, Piezometer und TDR-Geräte) sowie fortschrittliche topografische und geophysikalische Methoden (terrestrisches Laserscanning, UAV-Vermessungen, kosmische Neutronensensorik und geoelektrische Messungen). Dieser Ansatz verbessert die Identifizierung und Interpretation von Deformationsmustern an den Hängen und erweitert das Wissen über die Zusammenhänge mit auslösenden Faktoren.
Zusätzlich zur Überwachung vor Ort zielt NoeSLIDE auf die Entwicklung einer webbasierten Plattform für die Echtzeit-Visualisierung und -Analyse der Überwachungsdaten ab. Diese Plattform soll Behörden wichtige Informationen liefern, um schnell auf Erdrutschgefahren reagieren und potenzielle Risiken für Bevölkerung und Infrastruktur mindern zu können. Durch die Integration von Langzeitüberwachung und fortschrittlichen Untersuchungsmethoden leistet NoeSLIDE weiterhin einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von Rutschungsprozessen in Niederösterreich. Die Ergebnisse dieses Projekts unterstützen sowohl die wissenschaftliche Forschung als auch die praktische Anwendungen im Naturgefahrenmanagement.
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Thomas Glade